Oder: wenn Kunstwerke zum Leben erwachen
Durch die Hamburger Kunsthalle zu schlendern, sich die Bilder anzusehen und auf sich wirken zu lassen, kann für die einen magisch sein. Für andere braucht es jedoch einen kreativen Zugang zu dieser Kunstform, zum Beispiel durch den Tanz – in diesem Fall durch Hip-Hop.
Das Projekt »Living Artworks«, schafft genau diese Brücke und lädt Künstler und Künstlerinnen der HipHop Academy Hamburg dazu ein, Kunstwerke durch Tanz und andere Ausdrucksformen des Hip- Hops lebendig zu machen. Durch die Kunstperformances werden heutige Sichtweisen zum Ausdruck gebracht, indem klassische Werke neu interpretiert werden. Wie das funktioniert? In Kooperation mit der Stiftung Kultur Palast und der HipHop Academy Hamburg werden verschiedene Kunstwerke aus der Hamburger Kunsthalle zuerst in Workshops kunsthistorisch vorgestellt, dann in tänzerische Choreographien oder Gesang übersetzt und in professionell produzierten Videos festgehalten. Diese »lebendigen Kunstwerke« werden live aufgeführt und als Video per Social Media geteilt, um möglichst viele junge Menschen für diese Kunstformen zu begeistern.
Hip-Hop versteht sich als eine Kultur, die sich durch Musik, Tanz, Rap und visuelle Kunst ausdrückt und oft eine Stimme für junge Menschen und ihre Erfahrungen darstellt. Die kreative Zusammenarbeit ermutigt junge Menschen, ihre einzigartigen Talente zu entfalten und ihre Stimme in der Kunstwelt zu finden. Es trägt zur Förderung von kultureller Vielfalt, Selbstausdruck und dem Austausch von Ideen bei.
In Zusammenarbeit mit Stiftung Kultur Palast sind so fünf außergewöhnliche Interpretationen von Künstlern und Künstlerinnen der HipHop Academy entstanden, die der Öffentlichkeit am 20.9.2023 im Rahmen des Kulturglück-Dinners sowohl als Live Performances, als auch mittels Video Präsentationen, vorgestellt werden.
Weißer Punkt, Wassily Kandinsky, interpretiert von Franklyn Kakyire »Slunch« und Marco Baaden »Mallekid«
Franklyn Kakyire ist als Tänzer, Choreograf und Tanzvermittler national und international tätig. So performte er unter anderem bei der Expo Shanghai und mehrfach Kopenhagen. Zuletzt choreografierte er die Tanztheater Produktion »GMR Brainfuck« (2022, Thalia Theater). Sein Repertoire umfasst die Stile Hip Hop New Style, Breaking, House Dance, Locking und LA-Style. Gekennzeichnet durch einen individuellen Bewegungsstil gewann er verschiedenste »Battles« unter anderem in Korea. Er setzt sich zudem aktiv für die Kultur ein, organisiert verschiedenste Events und gibt sein Wissen an Schüler*innen weiter. Seit Beginn an ist er Teil der HipHop Academy Hamburg. Heute Startänzer und künstlerischer Leiter der Masterclass der HipHop Academy.
Marco Baaden ist Breaker seit über 20 Jahren. Heute ist er deutscher Bundestrainer für Breaking bei den Olympischen Spielen. Seit vielen Jahren verzeichnet er Erfolge in der nationalen und internationalen „Battle“-Szene. Unter anderem ist er zweimaliger Sieger des renommierten Battle of the Year, erfolgreicher Teilnehmer von Battles in China und mehrfacher Gewinner von Battles in Kopenhagen. Zudem ist er als Tanzvermittler tätig und stand innerhalb mehrerer Produktionen und Performances auf der Bühne. Heute ist er Trainer der Masterclass der HipHop Academy Hamburg.
Die Vielzahl ineinander verwinkelter Elemente in Kandinskys Werk findet sich in Bewegungsmustern der beiden Tänzer wieder. Formen, Geraden und Verbindungen werden in Körpersprache übersetzt. Auf den ersten Blick wirkt das Bild chaotisch. Verdeutlicht durch »freestyle«-Bewegungen im Tanz. Choreografierte und synchrone Elemente stehen für die in sich stimmige Komposition des Werkes.
Das Eismeer, Caspar David Friedrich, interpretiert von Pascal Kozuch »Poppin` Pain«
Pascal Kozuchs tänzerische Laufbahn begann mit 14 Jahren. Seinen Schwerpunkt setzt er auf den Tanzstil Popping. Er wirkte bei verschiedensten Produktionen und Stücken mit. Zuletzt in dem Tanztheater Stück von Christoph Hagel (»Goldberg Moves«, 2022, Parktheater Iserlohn und weitere). Kozuch nimmt zudem international erfolgreich an Tanz-»Battles« teil und trägt neben zwei international anerkannten Europameistertiteln auch einen Weltmeistertitel. »Das Eismeer« versteht er als Abbildung gesellschaftlicher Herausforderungen der heutigen Zeit. Sein Tanz verkörpert die Tatsache, dass die Menschheit in einem Boot sitzt, trotz stürmischer und kalter Zeiten aber Hoffnung auf ein besseres Leben besteht.
Eingangshalle Hamburger Kunsthalle, interpretiert von dem Unspoken Consort: Moro, lasso
(nach dem Madrigal von Carlo Gesualdo da Venosa)
In seinen performativen Konzertformaten nimmt das Unspoken Consort musikalisches Repertoire der Renaissance als Ausgangspunkt, um einen persönlichen Umgang mit kulturellem Erbe zu erproben.
Die Kompositionen werden über eine historische Aufführungspraxis hinaus in einen zeitgemäßen Kontext gestellt, die Grausamkeit der verdeckten Hintergrundgeschichten wird zum zentralen Thema. Neben neuen Texten, Arrangements und Gesangs-Melodien, entstehen daraus Kostüminstallationen und performative Elemente. Dabei bleiben die Feinheit und Schönheit der historischen Werke, auch in Anbetracht der nicht enden wollenden Spirale der Gewalt, ungetrübt. Ein Versuch, Haltung zu wahren, aber auch Zukünfte zu denken und Muster zu durchbrechen, während die lange Geschichte von Leid, Brutalität und Unterdrückung im Unterbewusstsein lauert und bis in die Gegenwart hinein andauert.
“Da wir bereits historisches musikalisches Material durch neue Texte, Arrangements, Gesang und Elektronik erweitern und versuchen, es in unser performativen und kostümbildnerischen Arbeit in einen zeitgenössischen Kontext zu stellen, haben wir uns nicht für ein Bild/Gemälde, sondern für die Eingangshalle der Hamburger Kunsthalle entschieden. Die Idee war es, eine Art lebendige Statur zu erschaffen, die den gesamten Treppenbereich für sich in Raum nimmt und die Geschichte einer Unerhörten erzählt, nämlich die von Maria D’Avalos, der ermordeten Ehefrau des Komponisten”
Emilia Durka, Annalouise Falk – Blockflöte
Tommy Fields, Anna Lodone, Alma Stoye – Viola Da Gamba
Text, Melodie & Gesang – Nala Tessloff
Music Recording & Mix: Janne Gruhn
@Studio Nord Bremen
Mastering: Helge Hasselberg
Nana, Édouard Manet, interpretiert von Nadja Häussler
Nadja Häussler schloss ihre Tanzausbildung an der Åsa Folkhögskola (Schweden) in den Stilen Popping, Locking, Hip Hop, House und Breaking ab. Heute arbeitet sie als professionelle Tänzerin, Choreografin und Tanzvermittlerin. Unter anderem tanzte und choreografierte sie innerhalb eigener Tanzproduktionen: Re-Invo. (August 2022, Fabrique Gängeviertel), Walls Can Dance (Juni 2022, Street Callery des Urban Art Institute) und ART&INTERSECTION (August 2021, Fabrik der Künste). Für die HipHop Academy choreografiert sie nun zum zweiten Mal die Jahresabschlussproduktion „Gala“. Innerhalb der Interpretation setzt sie sich mit dem Selbst- und Fremdverständnis einer Frau in der Gesellschaft auseinander. Dazu nutzt sie unter anderem den männerdominierten Tanzstil „Popping“. In ihrem Tanz spielt sie mit Stärke, Verletzlichkeit und Manipulation.
Porträt der Gräfin Theresia Fries, Johann Friedrich August Tischbein, interpretiert von Silvia Uras „Selvia“
Mit ihrem groovy, funky und energetischen Stil stand Silvia Uras bereits bei mehreren künstlerischen Tanzproduktionen und -stücken auf der Bühne. Unter anderem bei der Gala der HipHop Academy („Incognito“, 2022, Kampnagel) oder für den chilenischen Choreografen Jose Vidal („TRAMAS“, 2022, Kampnagel). Seit einigen Jahren teilt sie ihr Wissen mit Schüler*innen.
Das Porträt der Gräfin Theresia Fries hat bei der Künstlerin direkt Bilder und Emotionen ausgelöst. Außerdem ist ihr eine gewisse Ähnlichkeit mit der Gräfin aufgefallen, mit welcher sie sich auseinandersetzten wollte. Das rote Tuch erzählt in ihrer Interpretation die Geschichte einer starken Liebe. Einer Liebe, die die Gräfin aufgrund ihres Standes nicht frei wählen kann.
Bildnachweise:
Wassily Kandinsky (1866-1944)
Weißer Punkt (Komposition 248),1923
91,5 x 73,3 cm
© SHK / Hamburger Kunsthalle / bpk
Johann Friedrich August Tischbein (1750-1812)
Theresia Gräfin Fries, 1801
218,5 x 128 cm (Bild)
© SHK / Hamburger Kunsthalle / bpk
Edouard Manet (1832-1883)
Nana, 1877
154 x 115 cm (Bild)
© SHK / Hamburger Kunsthalle / bpk
Caspar David Friedrich (1774-1840)
Das Eismeer, 1824/23
96,7 x 126,9 cm (Bild)
© SHK / Hamburger Kunsthalle / bpk